Mein auf dieser Seite veröffentlichter Blog soll die Berichte in der BNN ergänzen. Es wäre also super, wenn ihr auch die lesen würdet…

Von Conakry aus machen wir uns auf den Weg nach Sierra Leone. Weiterhin stellen sich die Straßen in Guinea als sehr schlecht heraus und viel zu schnell wird es wieder dunkel und wir müssen uns ein Nachtquartier suchen. In einem kleinen Dorf halten wir an und werden sehr freundlich begrüßt. Der Dorfchef wird gerufen und gibt uns die Erlaubnis zu bleiben. Glücklicherweise gibt es einen Dorfbewohner, der Englisch spricht und für uns übersetzen kann, weil alle anderen kein Französisch sprechen. “Was, ihr wollt nach Sierra Leone?”, wundern sich die Leute. “Die Grenze ist momentan geschlossen. Heute waren dort doch Wahlen!” Ach, die Wahlen sind heute? Ich hatte davon gelesen, allerdings wollten wir zu dieser Zeit eigentlich schon längst durch das Land durch sein. Deshalb hatte ich das nicht mehr im Hinterkopf.
Abends beratschlagen wir darüber, ob es eine sinnvolle Idee ist, in ein immer noch nicht stabiles Land einzureisen, wenn gerade Wahlzeit ist und die Regierung mit Unruhen rechnet. Wir beschließen, das Risiko einzugehen und zur Not einfach durch das Land durchzureisen.
Am nächsten Morgen machen wir uns früh auf den Weg zur Grenze und haben Glück: Seit wenigen Stunden ist sie wieder geöffnet. Aber bis zur Sierra Leonischen Seite kommen wir vorerst gar nicht. Der guineische Zoll macht Probleme. Die Beamten können mein Carnet de Passage nicht stempeln (weil sie keinen Stempel haben!) und wollen uns so durchwinken. Aber ich bestehe auf den Stempel, kenne ich doch die Genauigkeit der deutschen Behörden und die machen eventuell einen Aufstand, wenn es darum geht, das bezahlte Pfandgeld zurückzuzahlen. Ein fehlender Stempel wird da leicht zum Grund.
Die (angetrunkenen) Beamten sind genervt von mir: “Hier gibt es keinen Stempel. Sowas haben wir nicht! Wenn du wirklich so was brauchst, musst du in die Stadt zurückfahren und bei den Zöllnern dort nachfragen.” Offiziell sind wir eigentlich schon ausgereist – der Ausreisestempel prangt in unserem Reisepass. Trotzdem fahren wir zurück und haben Glück: Das Zöllnerbüro ist nicht weit und der benötigte Stempel wird herausgekramt. Der Zöllner hat noch nie zuvor ein Carnet de Passage gesehen. Zurück an der Grenze kennen sie uns nun schon, winken begeistert und ohne dass wir anhalten müssen, wird der Schlagbaum gehoben. Wenige Meter danach müssen wir aber schon wieder halten, um unsere Personalien erneut überprüfen zu lassen. Der Beamte schaut auf meinen Pass: “Wieso hast du überhaupt gehalten? Leute mit Diplomatenpass brauchen doch nicht anzuhalten!” “Diplomatenpass?” “Ja, hier, schau! Alle roten Pässe sind Diplomatenpässe!” Scheinbar waren noch nie Deutsche bei ihm. Kopfschüttelnd gehe ich zum Wagen zurück, starte den Motor. Die Beamten salutieren zum Abschied. Das war Guinea. Bye-bye.
Wir fahren auf einer neu geteerten Straße und folgen einem dicken roten Pfeil nach rechts zu einer riesigen Grenzstation. Gebaut und bezahlt von der Europäischen Union! Beim Näherkommen erkennen wir, dass wir falsch sind. Alles ist leer. Die Gebäude werden nicht genutzt und beginnen schon wieder zu verfallen. Also zurück. Wir sehen links zwei Hütten aus Bananenblättern und halten an. Hier gibt es Menschen. Hier ist die Grenze von Sierra Leone. Die Beamten rauchen alle und nehmen ihren Job sehr genau. Mehrfach werden unsere Personalien in riesigen Büchern festgehalten. Die ganze Prozedur lassen wir auf dieser Strecke dreimal über uns ergehen. “Was ist eure Mission?”, will ein besonders eifriger Beamter wissen. “Wir sind Touristen, wir wollen das Land sehen!”, ist meine Antwort. “Das glaub ich dir nicht!” Wie bitte? Wieso glaubt der mir das nicht?” Ich schaue sehr fragend. “Gestern waren Wahlen, wir befürchten Unruhen und du sagst, ihr kommt einen Tag nach den Wahlen hierher, um Urlaub zu machen?” Langsam frage ich mich, ob es wirklich eine gute Idee war einzureisen.
Beim Zoll wollen sie wieder einmal nicht mein Carnet de Passage stempeln. In einem riesigen Gebäude laufe ich umher, um jemanden zu finden, der für mich zuständig ist. Fast das ganze Gebäude steht leer. Irgendwann verspricht einer, mir zu helfen, läuft durch mehrere Gänge (ich immer hinterher!), findet einen Schlüssel in Raum X und läuft wieder zurück zu Raum Y, wo er in einem halb zerstörten Schreibtischschublade tatsächlich noch drei Einreiseformulare findet. Sogar ein Stempel liegt dabei. Wir sind drinnen!
Weiterfahren dürfen wir aber trotzdem nicht, da die Straße gesperrt ist und von uns eine Straßenbenutzungsgebühr verlangt wird, von der wir noch nie zuvor etwas gehört haben. Wir diskutieren, streiten, bitten und warten. Es hilft alles nichts: Wir müssen die Straßenbenutzungsgebühr zahlen. Für eine Straße, die laut Hinweisschild mit EU-Geldern finanziert wurde. Naja, wir haben unseren Beitrag von 30€ geleistet.
Die Fahrt nach Freetown führt durch eine wunderschöne Landschaft. Überall stehen Palmen, ist alles grün und wir fahren auf einer perfekten Straße. Was will man mehr?

Wir kommen nach Freetown und geraten in ein Verkehrschaos pur. Es geht nicht vor noch zurück. Überall wird gehupt. Die Mopedfahrer sitzen fast auf unserer Motorhaube. Ich bin müde vom Fahren: Seit dem frühen Morgen sind wir unterwegs und nun wird es dunkel und ich bin auch noch nachtblind. Keine gute Kombination. Loyal geht es nicht gut. Er ist wieder stark erkältet, friert und hat Fieber. Nachdem wir nach drei Stunden durch die Stadt endlich am vereinbarten Treffpunkt ankommen, ist unsere Kontaktperson John nicht da und lässt uns warten, weil er (um acht Uhr abends) noch in einem wichtigen Meeting ist. Na toll. Wir sind fertig und haben Hunger. Außerdem stehen wir in einem Viertel, in dem wir von Drogenabhängigen und Dealern angesprochen werden. Sani wird gleich von zwei Prostituierten umgarnt. “Die haben mich gefragt, ob sie meine Freundinnen sein können!”, erzählt er uns begeistert. Er hat noch nicht mitbekommen, warum diese Frauen nachts auf der Straße nach Freunden suchen. Als wir ihn aufklären, ist er geschockt.
Gegen zehn kommt John endlich, wir sind froh, dass er noch auftaucht. Als wir losfahren, beginnt es zu regnen. Wie immer fällt das Wasser vom Himmel! John bringt uns zu Maria und ihrem Partner, der auch John heißt. “Maria ist auch Deutsche.”, informiert er uns auf dem Weg. Was wir nicht wissen, ist, dass die beiden von uns eigentlich nichts wissen und er ihnen bei der Ankunft nur sagt, dass wir unser Auto bei ihnen im Hof abstellen. Als wir vom Regen triefend und völlig fertig bei den beiden im Wohnzimmer stehen, stellt sich heraus, dass John davon ausgeht, dass wir bei den beiden bleiben werden. “Bei mir gibt es keinen Platz für so viele Leute!”, erklärt er. “Und warum hast du sie dann eingeladen?”, will Maria wissen. “Irgendwie hatte ich vergessen, dass sie kommen!”, versucht sich John rauszureden.
An diesem Abend und an den folgenden Tagen stellen wir fest, dass sich das Warten auf John und dessen Unorganisiertheit für uns total gelohnt haben: Maria und John sind phantastische Gastgeber. Wir bekommen ein eigenes Zimmer und ein eigenes Bett. Loyal kann sich richtig ausruhen und wird wieder gesund. Und John kocht sehr leckeres Essen für uns. Wir sind richtig glücklich, dass wir bei den beiden gelandet sind. Wollten wir anfangs nur 2 Tage bleiben, ist es am Ende eine volle Woche, bevor wir uns wieder auf den Weg machen.

 

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